00:00:00: Fallakte 4034, der Kurparkmord.
00:00:07: Geschrieben von Nikolas Henne.
00:00:10: Produziert von Fund Music.
00:00:13: Für Kugelsicher, der Copcast der Polizei Hessen.
00:00:16: Puh, muss das wirklich sein?
00:00:22: Henning sah seiner Kollegin dabei zu, wie sie ihre Beine dehnte.
00:00:25: Er versucht es ihr Gleich zu tun, ohne ungeschickt zu wirken.
00:00:29: Seit seinem Studienabschluss hatte er den Sport schleifen lassen.
00:00:32: Wegen der Kinder, wie er immer behauptete.
00:00:34: Auch wenn die Zwillinge mittlerweile bei ihrer Mutter lebten.
00:00:37: Ich bin der Meinung, dass wir uns so ein besseres Bild machen können,
00:00:40: als wenn wir die Strecke einfach nur entlang spazieren.
00:00:42: Also los, wir haben fünf Kilometer Rundweg vor uns.
00:00:46: Henning stöhnte und eilte seiner Kollegin hinterher.
00:00:49: Wegen des Zustands des Verlobten, der eine Vernehmung unmöglich machte,
00:00:53: kam Merve auf eine andere Idee, um etwas über das Geschehen zu erfahren.
00:00:57: Zusammen mit Experten des Landeskriminalamtes
00:01:00: hatte sie noch am Vorabend die Tracking-Uhr des Opfers ausgelesen
00:01:03: und die GPS-Daten auf ihr Diensthändi übertragen.
00:01:06: Und was ist mit den anderen Aufgaben, die auf uns warten?
00:01:09: Wante Henning ein, während er seine Mütze noch tiefer ins Gesicht zog,
00:01:13: um sich gegen die morgendliche Kälte zu schützen.
00:01:15: Merve hatte darauf bestanden,
00:01:17: dass sie den Laufweg des Opfers exakt nachbildeten.
00:01:20: Was bedeutete, dass sie ebenso früh mit der Runde starteten.
00:01:23: Ach, hör auf!
00:01:25: Die Obduktion wurde bereits angeordnet.
00:01:27: Die Funkzellenauswertung ebenso.
00:01:29: Wenn wir zurück sind, haben wir die Ergebnisse auf unseren Schreibtischen
00:01:32: und können direkt weitermachen. Besser geht's doch nicht.
00:01:35: Sie sprintete los.
00:01:36: Vom Eingang der luxuriösen Stadtvilla,
00:01:38: in der die Wohnung des Opfers und ihres Verlobten lag,
00:01:41: hinunter auf die Danziger Straße, die in Richtung Innenstadt führte.
00:01:45: Sie teilten sich auf, um beide Seiten der Straße abzudecken
00:01:48: und hielten Ausschau nach Besonderheiten,
00:01:50: die für ihre Ermittlungen relevant sein konnten.
00:01:53: Die Route führte sie hinter das Staatstheater
00:01:56: über einen gepflasterten Weg, der zurück in Richtung Kurpark führte.
00:02:00: Merve und Henning blickten sich nachdenklich an,
00:02:03: während sie wortlos weiter liefen.
00:02:05: Mit einem Mal hielt Merve an.
00:02:07: *Sie stöhnt.*
00:02:08: Na, brauchst du auch ne Pause?
00:02:11: Sei nicht albern.
00:02:12: Merve warf ihm einen mitleidigen Blick zu,
00:02:15: während sie sich mit ihrem Diensthandy beschäftigte.
00:02:18: Wie es scheint, hat sie hier ihrer App ausgeschaltet.
00:02:23: Die Frage ist nur wieso.
00:02:26: Um diese Uhrzeit gibt es hier nichts, wo sie hätte einkehren können.
00:02:30: Als sie aufblickte, fiel ihr das Parkhaus auf,
00:02:33: das auf der anderen Straßenseite stand und hell beleuchtet war.
00:02:37: Ihr Herz begann zu pulsieren,
00:02:39: so wie immer, wenn sie das Gefühl hatte,
00:02:41: dass sie einer bedeutenden Spur näher kamen.
00:02:43: Los, gib den Standort und den Betreiber des Parkhauses
00:02:47: an das Kommissariat weiter.
00:02:48: Sie sollen sofort alle Videoaufzeichnungen und Kennzeichen
00:02:51: Daten sichern lassen, bevor sie gelöscht werden.
00:02:53: Henning antwortete nicht.
00:02:55: Henning!
00:02:56: Henning?
00:02:58: Was tun wir zu?
00:02:59: Merve blickte nach rechts zu ihrem Kollegen.
00:03:01: Henning knifft die Augen zusammen
00:03:03: und ließ den Eingang des Parkhauses nicht aus dem Blick.
00:03:06: Er schien die Gedanken von Merve zu teilen.
00:03:08: Dann zog er seine Waffe.
00:03:10: Um die Datensicherung kümmern wir uns im Anschluss.
00:03:12: Mein Gefühl sagt mir, dass wir sofort dort hineingehen sollten.
00:03:15: Er wartete auf die Zustimmung seiner Kollegin.
00:03:18: Merve überlegte kurz.
00:03:20: Sie wussten nicht, wie lange der Betreiber die Daten speicherte.
00:03:23: Aber genauso wenig wussten sie, was sie im Parkhaus erwarten würde.
00:03:27: In beiden Fällen rannte ihnen womöglich die Zeit davon.
00:03:30: Sie mussten auf ihr Bauchgefühl vertrauen.
00:03:32: Und das war für beide eindeutig.
00:03:34: Merve nickte und zog ebenfalls ihre Waffe.
00:03:37: Sie eilten gemeinsam zum Eingang des Parkhauses
00:03:40: und hielten die Zufahrtswege im Blick.
00:03:42: Dann betraten sie das verwinkelte, gläserne Gebäude.
00:03:46: Zu dieser frühen Uhrzeit waren nur wenige Stellplätze belegt.
00:03:50: So konnten sie sich schnell einen Überblick verschaffen
00:03:52: und arbeiteten sich in wenigen Minuten bis zur dritten Ebene vor.
00:03:56: Langsam liefen sie nun gemeinsam zu einem schwarzen Sportwagen vor,
00:04:00: der mit dem Heck zur Wand geparkt war.
00:04:02: Die Frontscheibe spiegelte im Licht der Hallogenlampen
00:04:05: und doch erkannten sie, womit sie es zu tun hatten.
00:04:08: Merve wirbelte umher, um die gesamte Ebene im Auge zu zogen.
00:04:11: zu behalten. Henning hatte bereits sein Diensthändi gezückt und sprach mit der Einsatzzentrale.
00:04:16: "Eher genau, eine tote männliche Person, vermutlich Kopfschuss."
00:04:20: Sie hörte die Worte ihres Kollegen durch einen dichten Schleier, ihr Blick wanderte umher,
00:04:25: auf der Suche nach der Person, die sie beobachtete.
00:04:28: Es war still im Besprechungszimmer. Jeder Einzelner war in seinen Akten vertieft,
00:04:36: um zu verstehen, womit sie es zu tun hatten. An der Wand hingen Fotos der beiden Opfer,
00:04:41: die manend in die Runde blickten, flehend die Taten aufzuklären, denen bis jetzt jedes Motiv fehlte.
00:04:47: "Wie sieht es mit dem Verlobten des ersten Opfers aus? Ist er mittlerweile vernehmungsfähig?"
00:04:52: "Die Vernehmung mit Herrn Wenck ist für morgen Nachmittag angesetzt."
00:04:55: Merve wicht den bohrenden Blicken ihrer vorgesetzten Silvia frei aus.
00:04:59: Zu groß war ihr Frust darüber, dass sie den Ermittlungen hinterherliefen.
00:05:03: Für sie stand außer Frage, dass zwischen beiden Opfern eine Verbindung bestehen musste.
00:05:08: Aber noch fehlte ihr das passende Puzzlestück.
00:05:10: "Henning, was machen die Aufnahmen vom Parkhaus?"
00:05:13: "Henning, der seit Stunden mit der Analyse der Funkzellendaten beschäftigt war,
00:05:17: schaute zerknirrscht auf."
00:05:19: "Die Betreiber weigern sich, die Daten freiwillig rauszugeben.
00:05:22: Der Beschlussantrag liegt schon bei der Staatsanwaltschaft. Sobald sich mehr weiß, gebe ich dir Bescheid."
00:05:26: Merve fühlte sich machtlos. Alle wichtigen Maßnahmen waren angestoßen
00:05:31: und doch hatte sie das Gefühl, dass sie etwas Wesentliches übersahen.
00:05:35: "Wann ist die Auswertung der Funkzellen fertig?"
00:05:37: "Wegen Krankheit leider erst in zwei Tagen."
00:05:39: Merve stieß einen verbitterten Schrei aus.
00:05:42: Kurz darauf spürte sie eine warme Hand auf ihrer Schulter.
00:05:45: Silvia frei sah sie mit einem milden Lächeln an
00:05:48: und zeigte mit einem Nicken in Richtung Tür.
00:05:51: Sie folgte ihr nach draußen.
00:05:53: Als sie alleine auf dem Flur standen, platzte es aus ihr heraus.
00:05:56: "Ich weiß, dass wir etwas übersehen.
00:05:58: Wir können gerade nichts machen, außer abzuwarten und doch...
00:06:01: ...irgendetwas ist da, was mich nicht in Ruhe lassen will."
00:06:05: Erneut war es ihre Chefin, die sie beschwichtigte.
00:06:08: "Und genau aus diesem Grund gehst du jetzt nach Hause und ruß dich aus.
00:06:11: Wir brauchen deine Ideen und dein Engagement, sobald die Auswertungsergebnisse vorliegen.
00:06:16: In Ordnung?"
00:06:17: Sie nickte und wandte sich von ihr ab,
00:06:19: verbittert über ihre eigene Unfähigkeit geduldig zu bleiben.
00:06:23: Auf dem Heimweg machte sie einen Schlenker am Kurpark vorbei
00:06:26: und parkte ihren Wagen in einer kleinen Gasse nahe dem Fundort.
00:06:30: Sie betrachtete den kleinen Bachlauf und ließ sich in ihren Gedanken treiben.
00:06:34: Sie malte sich die verschiedensten Theorien aus,
00:06:37: eine verrückte als die andere,
00:06:39: bis sie von einem leisen Klopfen auf der Beifahrerseite aufgeschreckt wurde.
00:06:43: Eine Frau mit mehreren Lagen abgetragener Kleidung
00:06:46: und einem Einkaufswagen voller Getränkeflaschen und Konserven stand dort
00:06:50: und verdeutlichte mit Handzeichen, dass sie das Fenster herunterkurbeln sollte.
00:06:54: Merve kam der Aufforderung nach und ließ die Scheibe einige Zentimeter hinunter.
00:06:59: "Tut mir leid, ich kann Ihnen leider kein Geld geben, bitte gehen Sie weiter."
00:07:02: Die fremde Frau schüttelte den Kopf.
00:07:04: "Ich möchte kein Geld von dir.
00:07:06: Du bist Polizistin, stimmt's?
00:07:08: Eine von den Polizisten, die am Parkhaus waren."
00:07:11: Merve erschauderte.
00:07:12: Sie erinnerte sich an das Gefühl, beobachtet worden zu sein.
00:07:16: "Komm mit, ich will dir was zeigen."
00:07:18: In Merve schrillten alle Alarmglocken.
00:07:20: Sie war im Feierabend. Alleine, dass sie hier war, würde sie in Erklärungsnot bringen.
00:07:24: Ihre Hand fuhr hinunter zu ihrer Hüfte, wo sie in ein leeres Holstergriff.
00:07:29: Alles sprach dagegen auszusteigen.
00:07:31: Und doch konnte sie ihren Neugier nicht unterdrücken.
00:07:34: "In Ordnung, ich komme mit. Aber keine Spielchen. Verstanden?"
00:07:38: Die Frau führte sie zu einem nahegelegenen Gebüsch,
00:07:41: indem sie aufgeregt herumwühlte. Dann zog sie eine Tasche hervor.
00:07:46: "Die habe ich gestern in der Nähe vom Bach gefunden.
00:07:48: Ich wollte sie erst liegen lassen. Aber dann habe ich zufällig von den Morden gehört.
00:07:52: Vielleicht hat sie etwas damit zu tun."
00:07:54: Merve nahm die Tasche an sich. Sie war aus edlem, braunem Leder.
00:07:58: In ihr befanden sich ein Portemonnaie, eine Getränkeflasche und ein Regenschirm.
00:08:03: Und tief darunter vergraben eine schwarze Schusswaffe.
00:08:06: "Wo genau haben sie diese Tasche gefunden?"
00:08:09: Als Merve aufblickte, war die Frau bereits wieder verschwunden.
00:08:21: [EIN DISTRIKT]