KUGELSICHER - DER COPCAST DER POLIZEI HESSEN

Transkript

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00:00:00: "Fallakte 4034, der Kurparkmord, geschrieben von Nikolas Henne, produziert von Fund Music.

00:00:13: Für Kugelsicher, der Kopfcast der Polizei Hessen."

00:00:16: Sie hatte sich bereits eine halbe Stunde lang auf der Rudermaschine gequält.

00:00:23: Und trotzdem kamen ihre Gedanken nicht zum Stillstand.

00:00:26: Was vermutlich daran lag, dass sie die braune Ledertasche vom Couchtisch aus verholen anstarte

00:00:32: und darauf wartete, dass ihr Geheimnis gelüftet wurde.

00:00:35: Ein möglicher Beweis, den sie im schlimmsten Fall mit ihrer DNA kontaminiert hatte.

00:00:40: Ihr war ein Fehler unterlaufen, vor dem sie seit ihrem Studium immer wieder gewarnt wurde

00:00:45: und den sie glaubte, niemals begehen zu werden.

00:00:48: Bis heute.

00:00:49: Merve stieg erschöpft vom Rudergerät und trocknete sich ihr verschwitztes Gesicht ab.

00:00:55: Dann lief sie ungeduldig durch ihr Wohnzimmer und versuchte den Groll, der erneut in ihr

00:01:00: aufkam, zu verdrängen.

00:01:01: Sie atmete tief durch und ging alle Schritte ihrer Ermittlungen durch, bis zu dem Zeitpunkt,

00:01:07: als sie diese Tasche entgegen nahm.

00:01:09: Mit einem Mal setzte der Automatismus einer erfahrenen Ermittlerin ein.

00:01:14: Sie holte ihr Smartphone heraus und schrieb nur drei Worte an Henning.

00:01:18: "Komm vorbei!

00:01:19: Sofort!"

00:01:20: Dann lief sie in die Küche und zog sich zwei Einweghandschuhe über.

00:01:25: Vorsichtig nahm sie den Inhalt der Tasche unter die Lupe.

00:01:28: Das Portemonnaie war bis auf einen Personalausweis im Seitenfach leer, was sie nicht weiter verwunderte.

00:01:34: Als sie ihn herauszog, fiel ihr ein weiterer Ausweis entgegen.

00:01:38: Fassungslos starte sie auf die Bilder und die Namen, die in das Plastik eingestandst waren.

00:01:43: So lange, bis sie von einem wilden Hemmern an ihrer Tür aufgeschreckt wurde.

00:01:47: Sie rannte vor und ließ Henning herein, der mit einem besorgten Gesichtsausdruck vor ihr stand.

00:01:53: "Herr Gott, Merve, ich steh schon fünf Minuten vor deiner Tür und klingle wie ein Blöder.

00:01:57: Ich war kurz davor, die Kollegen vom Revier zu rufen.

00:01:59: Geht es dir gut?"

00:02:00: Merve antwortete nicht, sondern lief zurück ins Wohnzimmer.

00:02:04: Henning folgte ihr.

00:02:05: Dann fiel sein Blick auf die braune Tasche auf dem Couchtisch, auf die Plastikfolie,

00:02:10: auf der sie platziert war und auf die Einweghandschuhe, mit denen sie zwei Ausweise umklammerte.

00:02:16: "Ich habe großen Mist gebaut, Henning.

00:02:18: Und ich weiß nicht weiter."

00:02:22: Sie hielt ihm die beiden Ausweise hin.

00:02:24: "Larissa Petersen?

00:02:26: Bin's ein Reichmann?

00:02:28: Was zum Teufel haben die Ausweise der beiden Opfer in deiner Wohnung zu suchen?"

00:02:31: Merve antwortete nicht und schaute beschämt zu Boden.

00:02:35: "Du konntest es nicht bleiben lassen und hast nach Dienstschluss weiter ermittelt, nicht wahr?"

00:02:38: Sie kannten sich nach sechs gemeinsamen Dienstjahren sehr gut.

00:02:42: Und Henning wusste nur zugut, wie sehr es Merve belastete, wenn die Ermittlungen stockten.

00:02:47: "Was mache ich denn jetzt?"

00:02:48: "Das einzig richtige."

00:02:49: Henning holte sein Smartphone hervor und rief das Tatortkommissariat an.

00:02:54: Dann setzte er sich auf die Couch und nickte Merve zu.

00:02:57: Sie umklammerte immer noch die Ausweise und zwang sich, ihre Tränen zurückzuhalten.

00:03:02: "Du weißt, was jetzt passieren kann, oder?

00:03:04: Wenn sie dich von den Ermittlungen abziehen, kannst du so etwas wie heute nicht nochmal bringen.

00:03:08: Sonst wird das nichts mit der Kommissariatsleitung, wenn Sylvia demnächst in den Ruhestand geht."

00:03:12: Verdutzt schaute sie ihn an.

00:03:14: "Ach komm schon, glaubst du, ich wüsste das nicht?

00:03:16: Da müsstest du mich aber besser kennen.

00:03:18: Außerdem liegt es doch auf der Hand.

00:03:20: Es gibt niemanden, der besser dafür geeignet ist als du."

00:03:23: Er stand wieder auf und berührte sie tröstend an der Schulter.

00:03:26: "Und Fehler machen selbst die besten.

00:03:29: Wenn das Tatortkommissariat die Beweise gesichert hat, geht alles wieder seinen gewohnten Gang."

00:03:33: Merve schaute ihren Kollegen an, den sie angelernet hatte, bevor er ihr Teampartner wurde.

00:03:39: Früher war er der draufgängige.

00:03:40: den sie kaum zügeln konnte. Sie konnte kaum fassen, dass es mittlerweile anders herum war.

00:03:45: "Henning, ich…" An der Tür klingelte es und Henning sprang auf, um ihre Kollegen

00:03:50: hereinzulassen. Merve legte die Ausweise auf den Couch-Tisch und setzte sich. Erneut fingen

00:03:56: ihre Gedanken an sich im Kreis zu drehen, auf der Suche nach einer Erklärung, nach einem Motiv,

00:04:01: nach einer Verbindung zwischen den beiden Morden und, nach einem Anhaltspunkt dafür,

00:04:06: wer die unbekannte Frau war, die sie erst in diese missliche Lage gebracht hatte.

00:04:10: Der grobe Kies knirschte unter seinen Schuhen. Je schneller er lief, desto mehr hatte er das

00:04:22: Gefühl, dass ihn eine unsichtbare Kraft zurückziehen würde. Sein Ziel entfernte sich mit jedem Schritt

00:04:28: immer mehr von ihm. Dann hörte er das Rauschen von Wasser. Erst ganz leise, verborgen hinter dem

00:04:34: Schleier aus Nebel, dann immer lauter werdend, bis das kleine Rinsaal am Rand des Weges zu einer

00:04:40: reißenden Strömung wurde. Er konnte sehen, dass etwas im Wasser schwamm. Es trieb in hoher

00:04:46: Geschwindigkeit auf ihn zu. Je näher es auf ihn zukam, desto mehr erkannte er, dass er zu spät war.

00:04:52: Er erkannte ihre Blasse, unschuldige Haut, ihren zierlichen Körper, der von der Gewalt des

00:04:58: Wassers fortgetragen wurde. Er hörte ihre Stimme, die verzweifelt um Hilfe rief. Er wollte zu ihr

00:05:04: rennen, um sie herauszuziehen oder um im schlimmsten Fall gemeinsam mit ihr fortgetrieben zu werden.

00:05:09: Erneut war es eine unsichtbare Kraft, die ihn zurückhielt, die ihn dazu verdammte, zuzusehen,

00:05:15: wie die Liebe seines Lebens ein letztes Mal seinen Namen rief und ihre Augenschloss. Bevor ihr

00:05:20: Körper unter Wasser gesogen wurde und sie für immer verloren war. "Larissa, nein!" Als Thorsten

00:05:26: Wenk die Augen aufschlug, spürte er, wie seine Trauer besitz von ihm ergriff. Sie lambte seinen Körper.

00:05:33: Er wollte weinen, war aber nicht mehr in der Lage dazu. Er wollte etwas packen und durch das

00:05:38: geschlossene Fenster hinaus auf die Straße werfen, aber ihm fehlte jegliche Kraft. Wie

00:05:43: benommen, tastete er sich durch den dunklen Raum und wankte hinüber ins Wohnzimmer.

00:05:48: Der Boden war übersät mit halbvollen Pizzaschachteln und Essensboxen vom Asiaten. Der Gestank war

00:05:55: unerträglich, aber er fühlte sich in ihm wohl. Es war, als wäre seine Wohnung eins mit ihm und

00:06:00: seinen Gefühlen geworden. Dann ließ er sich auf das Sofa fallen und starte in zahllose Bilder,

00:06:06: die auf dem Couchtisch aufgebaut waren. Ein provisorischer Altar für Larissa. Er fragte sich,

00:06:12: ob er sie aufgestellt hatte, um in ihr Gesicht blicken zu können oder um sich zu bestrafen,

00:06:17: dafür, dass er sie an dem Tag nicht begleitet hatte. Sein Blick blieb an dem Skypell hängen,

00:06:23: das aufgeklappt neben den Bildern lag, darauf wartend genutzt zu werden. Er ergriff es und betrachtete

00:06:30: die scharfe, tödliche Klinge. Dann schaut er hinaus aus dem Fenster. Der Regen prasselte gegen

00:06:36: die Scheibe. Es klang wie ein Klopfen, wer etwas, das ihn zu sich rufen wollte. Also stand er auf und

00:06:43: öffnete die Balkon-Tür. Ein scharfer Wind schlug ihm entgegen. Er spürte das Wasser, das seine

00:06:49: Haut bedeckte. Vor seinem inneren Auge sah er, wie Larissa in seinem Traum davon schwamm. Vielleicht

00:06:55: war es Zeit, ihr in die tödlichen Fluten hinterherzuspringen. Er spürte den kalten Griff des

00:07:00: Skypells in seiner Hand und den Schmerz in seinem inneren, der mit jedem Tag unerträglicher wurde.

00:07:06: Einen Schmerz, dem er ein Ende bereiten wollte.

00:07:09: * Musik *

00:07:11: * Musik *

00:07:15: * Musik *

00:07:17: SWR 2020

Über diesen Podcast

KEINE BEWEGUNG!
Jetzt werden die Lauscher aufgesperrt!

Bei uns dreht sich alles um den echten Polizeialltag, mit echten Cops am Mikro. Deswegen ist das hier auch kein stinknormaler Podcast, sondern ein COPCAST! Unser Moderator Marc, Polizist mit Leib und Seele, zögerte keine Sekunde, als ihn sein nächster Einsatz ans Mikrofon führte.
Getreu dem Motto „Kein Gelaber - alles echt“ kommt Marc mit Kolleginnen und Kollegen verschiedenster Bereiche ins Gespräch und gibt dir authentische Einblicke in die Vielseitigkeit des Polizeiberufs. Egal ob Mordermittlung, SEK, Flieger- oder Hundestaffel - wir haben sie alle hier bei KUGELSICHER!

Dich erwarten spannende Storys und kuriose Geschichten des Polizeialltags, denn wir zeigen dir die Menschen hinter der Uniform. Tauch ein in die Welt echter Polizeiarbeit! Vielleicht bringen wir auch DICH auf den Geschmack?

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