00:00:00: "Fallakte 4034, der Kurparkmord, geschrieben von Nikolas Henne, produziert von Fund Music.
00:00:13: Für Kugelsicher, der Kopfcast der Polizei Hessen."
00:00:17: Ganz leise tönten die Klänge ihrer Lieblingsband durch die Wohnung, während sie barfuß über
00:00:24: den weichen Teppich im Schlafzimmer glitt.
00:00:26: Es war ein befremdliches Gefühl, dass es vermutlich der letzte Tag sein würde, an dem sie dieses
00:00:31: Haus betreten hatte, der letzte Tag, an dem sie neben ihm aufwachen durfte und der letzte
00:00:37: Tag, an dem sie das Gefühl von Freiheit vollends auskosten konnte.
00:00:41: Sie hatte es immer schwer gehabt mit Vertrauen, vor allem dann, wenn es darum ging, ob jemand
00:00:46: vor der Polizei den Mund halten konnte.
00:00:48: Und so sehr sie Thorsten auch glaubte zu lieben, so sehr sie die gemeinsame Zeit genossen hatte,
00:00:54: sie war sich sicher, dass er keinen Tag aushalten würde, bevor seine Aussage die Polizei auf
00:00:59: ihre Pferde lenken würde.
00:01:00: Wenn die Begegnung im Café kein Zufall gewesen war, suchte man sie sogar schon.
00:01:05: Während sie in der rechten Hand ihren Rotwein hielt, riss sie mit der linken Hand eine Schublade
00:01:10: nach der anderen auf, warf den Inhalt auf den Boden und inspizierte jeden noch so kleinen
00:01:15: Winkel auf der Suche nach dem Sparstrumpf, den Thorsten für den Notfall versteckt hatte.
00:01:20: Den Schlüssel zu einem Schließfach mit all dem Geld, das er sich in den letzten Jahren
00:01:24: illegal zusammengerafft hatte.
00:01:26: Doch sie fand nichts.
00:01:28: Wut entbrannt warf sie das leere Glas durch die Wohnung, das auf dem Fliesenboden im Flur
00:01:33: klirrend in unzählige Stücke zerbrach.
00:01:35: Denken nach, Victoria, denken nach, der Schlüssel muss hier irgendwo sein.
00:01:40: Vincent war davon überzeugt gewesen, dass es dieses Schließfach geben musste.
00:01:44: Wenn sie den Schlüssel nicht finden würde, war er nicht der Einzige, der einen riesigen
00:01:48: Fehler gemacht hatte.
00:01:50: Verdammte Scheiße!
00:01:51: Diesmal war es ihre Handtasche, die durch die Wohnung flog und ihren Inhalt auf dem Boden
00:01:56: verteilte.
00:01:57: Veronica ließ sich auf den kühlen Fliesenboden fallen und schloss die Augen.
00:02:02: Sie hatte Thorsten überall hin begleiten dürfen, in die Firma, in sein Ferienhaus an
00:02:07: der Küste.
00:02:08: Nur ein Ort war für sie Tabu gewesen und bisher hatte sie es nicht weiter hinterfragt.
00:02:14: Das Haus, in dem er aufgewachsen war.
00:02:16: Das Haus seiner Eltern, die an die große Liebe zwischen ihrem Sohn und Larissa glaubten,
00:02:21: die mittlerweile beide in einer kalten Leichenhalle aufgebahrt waren und auf ihre Bestattung warteten.
00:02:27: "Sein Elternhaus?
00:02:28: Natürlich, du dusseliges Ding!"
00:02:31: Veronica sprang auf, sammelte ihre Habseligkeiten ein und hatte gerade den Türgriff zum Hausflur
00:02:37: in der Hand, als von außen ein Geräusch zu ihr hineindrang.
00:02:40: Das Geräusch von reifen, schwerer Autos im Schotter, das Öffnen und Knallen von Türen
00:02:46: und die Schritte von mindestens drei Personen, die gleichzeitig ausstiegen und entschlossen
00:02:51: in Richtung des Hauses liefen, das sie gerade verlassen wollte.
00:02:54: Diesmal war Silvia selbst die Fuhr.
00:03:02: Henning prüfte den Durchsuchungsbeschluss, den er wenige Minuten zuvor vom Amtsgericht
00:03:06: abgeholt hatte.
00:03:07: "Stellt alles drin, was wir brauchen.
00:03:09: Hoffentlich sind wir nicht zu spät.
00:03:11: Soll ich eine Einsatzfahrt anmelden?"
00:03:12: "Nein, wenn sie nur von weitem ein Martin zorn hört, war's das."
00:03:16: Henning spürte die Anspannung am ganzen Körper.
00:03:19: Mit zwei Dienstwagen fuhren sie durch die Stadt und wurden immer wieder von dem lahmenden
00:03:23: Verkehr ausgebremst.
00:03:25: Aber die Zeit drängte.
00:03:27: Venk hatte kein Geständnis abgelegt.
00:03:29: Das einzige, was er verraten hatte, war die Anschrift der Wohnung, in der Veronica Piotrowska
00:03:34: unter falschem Namen wohnte.
00:03:36: Zwei Streifen waren auf dem Weg dorthin, während sie selbst ...
00:03:39: Wenkswohnungen nach Beweisen und weiteren Hinweisen durchsuchen wollten, ehe Veronica sie vernichten
00:03:44: und untertauchen konnte. Der Erfolg ihrer Ermittlungen hing von diesem Einsatz ab, der am Wiesbadener
00:03:50: Stadtverkehr zu Scheitern drohte. Natalie und Serkan fuhren ihnen hinterher und versuchten
00:03:55: den Anschluss nicht zu verlieren, während Sylvia jede Gelegenheit nutzte, um auf eine
00:04:00: freie Spur zu wechseln. Nach einer halben Stunde bogen sie auf die Sonnenberger Straße
00:04:06: ab und kamen ihrem Zielort näher.
00:04:08: "Endlich! Die anderen beiden Streifen waren schneller als wir und warten schon in der Parallelstraße.
00:04:14: Sollen sie warten, bis wir auch vor Ort sind?"
00:04:16: "Sag ihnen, sie sollen in zwei Minuten loslegen. Mein Bauchgefühl sagt mir ohnehin, dass sie
00:04:20: nicht in ihrer Wohnung sein wird."
00:04:22: Henning sah den verbissenen Blick, den Sylvia nicht verbergen konnte. Sie rechnete mit dem
00:04:27: Ernstfall, damit, dass sich ihre Haupttatverdächtige nicht wehrlos verhaften lassen würde. Als
00:04:33: sie in die Straße einbogen, in der Wengs Wohnung lag, deutete alles daraufhin, dass sie recht
00:04:38: behalten sollte. Bereits von weitem konnten sie einen schwarzen SUV sehen. Henning blätterte
00:04:44: in seiner Akte.
00:04:45: "Wiesbaden, Martag, Kaufmann 189? Das ist ihr Wagen!"
00:04:50: Er schrieb Natalie eine Nachricht, um sie vorzubereiten, ehe sie in eine naheliegende geschotterte Einfahrt
00:04:55: fuhren und ihren Dienstwagen abstellten.
00:04:59: Hastig liefen sie vor zum freistehenden Mehrparteienhaus, dessen Großzüge gargarten nur mit einer
00:05:04: kniehohen Mauer von der Straße abgegrenzt war.
00:05:07: Natalie und Serkan stiegen über die Mauer, um den hinteren Bereich des Hauses zu sichern.
00:05:12: Henning folgte Sylvia, die Schnur strax zur Haustür vorlief. An der gläsernen Front
00:05:18: wartete bereits ein bekanntes Gesicht auf sie.
00:05:21: Frau Dr. Evelyn Radeff war ihnen aus vielen anderen Fällen als unnachgiebige, aber korrekte
00:05:27: Strafverteidigerin bekannt. Thorsten Wenk hatte sich für sie entschieden, nachdem er erkannt
00:05:33: hatte, in welche Lage er sich durch seine Aussage gebracht hatte.
00:05:36: "Guten Tag Frau Frey. Herr Bachmann, haben Sie den Durchsuchungsbeschluss?"
00:05:39: Henning reichte ihr ein Exemplar, bevor er seine Waffe zog und vor zur Haustür lief.
00:05:45: Sylvia holte den Schlüssel heraus, den sie von Wenk erhalten hatte und folgte ihm.
00:05:50: "Wir gehen davon aus, dass Wenks geliebte und unsere Haupttatverdächtige in der Wohnung
00:05:54: ist. Ich rate ihnen, im Auto zu bleiben, bis wir die Wohnung gesichert haben."
00:05:58: Dann marschierten sie durch den Hausflur hoch bis ins zweite Obergeschoss, in dem sich Wenks
00:06:03: Wohnung befand. Natalie und Serkan schlossen zu ihnen auf. Als Henning den Schlüssel in
00:06:08: der Tür drehte, ging alles ganz schnell. Henning, Sylvia und Serkan sicherten Raum für Raum,
00:06:14: während Natalie den Flur im Blick behielt. Nur einen Augenblick später standen sie wieder
00:06:19: zusammen und berieten sich.
00:06:20: "Die Wohnung ist leer. Sie muss irgendwo im Haus sein. Wenn sie uns entwischt, haben wir
00:06:26: gar nichts."
00:06:27: "Das stimmt nicht, Sylvia. Ich denke, wir haben den entscheidenden Beweis gefunden."
00:06:31: Serkan hielt eine kleine Plastiktüte in die Luft. Im Licht der Hallogenlampe waren
00:06:36: einzelne blonde Haare zu erkennen.
00:06:38: "Aber das passt nicht zusammen. Wenk kam nicht einen Moment für den Mord an Larissa Petersen
00:06:43: in Betracht. Das kann nur fingiert sein. Wo hast du die Tüte denn gefunden?"
00:06:48: "Sie lag im Flur auf dem Boden. Ich habe mich fast an den ganzen Scherben geschnitten, die
00:06:52: dort rumliegen. Wenn du mich fragst…"
00:06:54: "Oh, darüber könnte ich später streiten. Sie entwischt uns."
00:06:57: Natalie stirmte die Treppe runter und gab den Blick auf das Panoramafenster im Flur frei
00:07:02: und auf eine Frau mit braunen, schulterlangen Haaren, die es eilig hatte, in ihren schwarzen
00:07:08: SUV einzusteigen.
00:07:09: [Musik]
00:07:18: Sehr gut.